Überlegungen zur Rats-Arbeit in der Kirchgemeinde
Seit Mitte März 2022 gehören dem Kirchgemeinderat Goldiwil-Schwendibach (KGR) neben zwei bewährten Mitgliedern fünf «Neulinge» an. Der mehrheitlich neu zusammengesetzte KGR hat unterdessen seine Arbeit aufgenommen. Naturgemäss geht es in der ersten Zeit darum, Menschen, Aufgaben, Strukturen, Räumlichkeiten und «Dossiers» kennenzulernen.
Als Einleitung zu einer der ersten Ratssitzungen habe ich mir folgende Gedanken gemacht:
Wir sind jetzt also der neu zusammengesetzte Kirchgemeinderat – und wie es das Wort schon sagt, sollen wir Rat halten, über anstehende Fragen be-raten und rätig werden, was in diesem oder jenem Fall zu tun ist. Gelegentlich werden wir gegen aussen sicher Rat-geber:innen oder Be-rater:innen sein, werden etwas an-raten oder von etwas ab-raten. Möglicherweise müssen wir mitunter zu er-raten versuchen, was in einer bestimmten Situation nötig, sinnvoll oder hilfreich ist. Und natürlich hoffen wir alle, dass uns bei der Rats-Arbeit möglichst vieles ge-raten und möglichst weniges miss-raten wird.
Als ich über das Wort «Rat» so nachgedacht habe, ist mir aufgefallen, wie viele und vielfältige «Räte» es eigentlich gibt. Auf politischer Ebene beispielsweise den Gemeinderat, Stadtrat, Grossrat, Regierungsrat, Kantonsrat, Nationalrat, Ständerat und Bundesrat. Und viele dieser Räte haben neben einem Ratspräsidium ein Ratsbüro, Ratsdiener:innen und Ratsschreiber:innen, die Ratsprotokolle verfassen. Und die Ratsversammlungen finden sogar in eigens dafür gebauten Häusern, den Rat-häusern, statt. Im kirchlichen Bereich gibt es den Synodalrat, an verschiedenen Orten sind Einwohnerräte bekannt, in der Wirtschaftswelt haben viele Firmen einen Verwaltungsrat … es gibt Bei-Räte, Wissenschafts-Räte und viele weitere Berater-Gremien. In Familien wird möglicherweise gelegentlich Familienrat gehalten. Wir kennen Vorrat, Hausrat, Unrat und Ratgeberliteratur – und (mit einem Augenzwinkern bemerkt) gibt es nicht wenige Menschen, die im Lauf ihres Lebens hei-raten, auf den Weltmeeren sind Pi-raten unterwegs und auf Verwaltungen manchmal Bürok-raten am Werk. Es gibt den Ratschluss, den Ratschlag, die Ratsuchenden … aber auch den Ver-rat.
Auch der Volksmund weiss einiges übers Raten zu berichten. So heisst es beispielsweise «Guter Rat ist teuer», «Auch Ratschläge sind <Schläge>» oder «Kommt Zeit, kommt Rat». Ein Sprichwort besagt, dass «Wem nicht zu raten ist, dem ist nicht zu helfen». Gleichzeitig gilt aber auch «Raten ist leichter als helfen».
Der Freiherr von Knigge soll einmal gesagt haben: «Die Menschen, wenn sie dich um Rat fragen, sind gewöhnlich schon entschlossen zu tun, was ihnen gefällt». Umgekehrt lehrt eine Volksweisheit: «Ein guter Rat zur rechten Zeit, bewahrt manchen vor viel Herzeleid».
Das Wort «raten» leitet sich her vom mittelhochdeutschen Wort «räten», was ursprünglich «sich etwas zurechtlegen», «aussinnen», «Vorsorge treffen» bedeutet.
Raten ist – gut hörbar – verwandt mit «Rätsel» … aber auch – weniger deutlich hörbar – mit Rede.
Als ich auf meinem Gedankenweg zum Thema Rat und Raten so weit gekommen war, schien mir richtig, schliesslich auch in der Bibel, der «Ur-Kunde» unseres christlichen und kirchlichen Lebens und Glaubens, nachzusehen, was dort zu «Räten» und zum «Raten» ausgeführt wird. Auch in der Bibel kommen verschiedenste Räte, Beratungen und Ratschläge vor. Ich greife wenige Aussagen heraus:
Wo viele sind, die Rat wissen, steht es wohl (Spr 11,14)
Wer auf guten Rat hört, ist weise (Spr 12,15)
Wenn du Rat brauchst, dann … verlass dich auf dein Gewissen, es ist dein zuverlässigster Ratgeber. Dein eigenes Empfinden sagt dir für gewöhnlich mehr als sieben Wächter, die auf einer Anhöhe Ausschau halten. Vor allem aber bitte Gott, den Höchsten, dich immer auf den richtigen Weg zu bringen. (Sirach 37,13f)
Ich denke, das ist guter Rat – nicht nur, aber auch für die Arbeit im Kirchgemeinderat. Und so hoffe ich, dass es uns ge-raten werde, gute Rats-Arbeit zum Wohle der Menschen in Goldiwil-Schwendibach zu leisten.
Verena Schär
April 2022
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